news_id_req:„Das Symbol in der Bedeutung, in welcher wir das Wort hier gebrauchen, macht dem Begriffe wie der historischen Erscheinung nach den Anfang der Kunst und ist deshalb gleichsam nur als Vorkunst zu betrachten, welche hauptsächlich dem Morgenlande angehört und uns erst nach vielfachen Übergängen, Verwandlungen und Vermittlungen zu der echten Wirklichkeit des Ideals als der klassischen Kunstform hinüberführt. Wir müssen deshalb von vornherein sogleich das Symbol in seiner selbständigen Eigentümlichkeit, in welcher es den durchgreifenden Typus für die Kunstanschauung und Darstellung abgibt, von derjenigen Art des Symbolischen unterscheiden, das nur zu einer bloßen, für sich unselbständigen äußeren Form herabgesetzt ist. In dieser letzteren Weise nämlich finden wir das Symbol auch in der klassischen und romantischen Kunstform ganz ebenso wieder, wie einzelne Seiten auch im Symbolischen die Gestalt des klassischen Ideals annehmen oder den Beginn der romantischen Kunst hervorkehren können. Dergleichen Herüber- und Hinüberspielen betrifft dann aber nur immer Nebengebilde und einzelne Züge, ohne die eigentliche Seele und bestimmende Natur ganzer Kunstwerke auszumachen.
Wo das Symbol sich dagegen in seiner eigentümlichen Form selbständig ausbildet, hat es im allgemeinen den Charakter der Erhabenheit, weil zunächst überhaupt nur die in sich noch maßlose und nicht frei in sich bestimmte Idee zur Gestalt werden soll und deshalb in den konkreten Erscheinungen keine bestimmte Form zu finden imstande ist, welche vollständig dieser Abstraktion und Allgemeinheit entspricht. In diesem Nichtentsprechen aber überragt die Idee ihr äußerliches Dasein, statt darin aufgegangen oder vollkommen beschlossen zu sein. Dies Hinaussein über die Bestimmtheit der Erscheinung macht den allgemeinen Charakter des Erhabenen aus?“
Was nun den Kreis an sich betrifft, hat die Verwendung dieser „über sich selbst hinausweisenden“ Form – also Symboles – durchaus Tradition in der Kunst. Die Kreisform wird im Allgemeinen als etwas abgeschlossenes, gemeinhin als etwas nahezu Perfektes betrachtet und zumeist auch so eingesetzt. Damien Hirst verwendet bei seinen Spot Paintings, ausgeführt von Assistenten, beispielsweise eine solche, nahe an der Perfektion angesiedelte Ausführungsweise genauso wie der Dürer’sche Kreis auf dem Stich Melancholia die Verwandtschaft von Kreis und Perfektion bezeugt. Der Beispiele gibt es unzählige.
Anders wird der Kreis, bzw. das Runde an sich in den Bildern der Serie Multiball benutzt. Der Kreis wird gebrochen und zerkratzt, übermalt und geschunden. Diese Arbeiten zeigen somit durch das bewußte Hinterlassen von sichtbaren und merkbaren Spuren quasi die Rückseite der Perfektion, die Fehlstellen und Lücken im Konzept des Menschlichen.
Perfekt sind diese Kreise nicht und wollen es auch nicht sein. Dafür sind sie rund und schön bunt!
Darina Kühnlever Mönchengladbach – Osnabrück, 2007