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Profil Nr.18 vom 28.4.2003
Wiener Zeitung vom 16.5.2003
Ferdinand Melichar malt Menschenbilder. Er hat schon immer Menschenbilder gemalt. Er hat sie gemalt, als Gegenständliches verpönt war. Und er malt sie jetzt, wo die Figur wieder im Trend liegt. Aber nicht so wie der Trend es vorschreiben würde: fast fotorealistisch. Er malt nicht realistisch an der Grenze zum Kitsch. Er malt zwar oft Selbstbildnisse, aber nicht auf die stereotype Art, sich immer wiederholend und schlecht gemalt. Obwohl beides, entsprechend gemanagt, durchaus zum Erfolg führen kann.
Nein er malt expressiv, verwandelt sich in vielerlei Gestalten. Er malt auf eine Art, die an bedeutende Vorbilder denken lässt. Aber immer so, dass man seine Handschrift erkennt. Jedes dieser Bilder packt dich, und lässt dich nicht mehr los. Etliche dieser Bilder können dich abstoßen, aber kalt lassen sie dich sicher nicht. Alle diese Bilder sind "einfach gute Malerei".
Ferdinand Melichar malt seine Obsessionen, seine Träume und die Wirklichkeit in und um ihn. Eines seiner bevorzugten Modelle, außer ihm selbst, ist seine Frau Elisabeth. Früher kamen noch seine Kinder dazu, im Kinderzimmer, beim Picknick im Garten, beim Spaziergang.
In Früheren Ausstellungen waren Landschaftsbilder, die spielenden Kinder und Figuren in der Landschaft aufhellende Momente in der Präsentation.
Für die Ausstellung "Menschenbilder" hat er sich entschlossen, die Figur in den Mittelpunkt zu stellen. Die Figuren wachsen aus dunklen Hintergründen. Die Figuren des Ferdinand Melichar sind in der Regel nicht geschönt. Ganz im Gegenteil. Bis auf wenige Ausnahmen sind die Gesichter eher Fratzen, die uns grimmig anblicken.
Der "Engel" des Ferdinand Melichar ist wohl eher ein gefallener, ein verzweifelter mit gestutzten Flügeln. Einer der vielen Gestalten, in die sich der Künstler verwandelt. Wenn Van Gogh sein Ohr abschneidet, spritz eine Unmenge Blut über die Leinwand, einem Muskelprotz sieht man die Anstrengung ins Gesicht geschrieben und Baselitz schaut ihm über die Schulter. Elisabeth als Salome ist hochaufgerichtet und erstarrt, mit steif weggespreizten Armen. Keine laszive Jugendstil-Salome von Hofmannsthal/Strauss, eher eine zerrissene, zweifelnde des James Ensor. Die Schale mit dem Kopf des Johannes hat sie wohl vor Ekel fallen gelassen, geküsst hat sie ihn sicher nicht. Eine andere Szene, welche ebenfalls einem Bild von Ensor oder Kubin entstiegen sein könnte. Zwei Gestalten sitzen auf einer Bank in einem gespenstischen Park. Die eine hell, die andere dunkel vor wohl brennenden Bäumen, oder blühen sie? Ist die Hautfarbe dunkel oder ist die gebeugte Gestalt nur vermummt, um unkenntlich zu sein. Ist es ein Mönch aus den "Elixieren des Teufels", ist es ein Ureinwohner Afrikas der hier neben dem Künstler sitzt, ist es der Tod? Ferdinand Melichar lässt die Deutung offen. Wie in vielen seiner Bilder ist der Phantasie keine Grenze gesetzt.
Die Bilder des Ferdinand Melichar ziehen in ihren Bann. Man kann sich der Faszination dieser Bilder schwer entziehen obwohl der Künstler auf den Betrachter kaum Rücksicht nimmt. Es zahlt sich aber aus, sich mit diesen Bildern auseinander zusetzen.
"Profil Nr. 18" vom 28. April 2003
Kultur
Ausstellung I
Menschenbilder
Eröffnung: 6.5., Galerie Ariadne, 1010 Wien, 19 Uhr
Die "New York Times" stellte fest: "In Ferdinand Melichars Werk gibt es nichts Glattes, Geschmeidiges oder Einfaches." In der Galerie Ariadne sind jetzt Portraits von Melichar, Jahrgang 1962, aus den letzten Jahren zu sehen, darunter "Schlimmes Mädchen" von 2002 (Foto-Abgebildet)) Originalkritik
"Wiener Zeitung" vom 16/17. Mai 2003
Quer durch Galerien
von Claudia Aigner
Haarschnitt oder Vivisektion?
In Kindertagen bin ich ja selber nur haarscharf an der "Van-Gogh-Frisur" vorbeigeschrammt. Dass der Übergang vom Haarschnitt zur Vivisektion fließend ist, kann ich also mit einer Narbe im linken Ohrlapperl unwiderlegbar bezeugen. Dennoch ist wohl definitiv auszuschließen, dass van Gogh sich am 23. Dezember 1888 eigentlich nur die Haare hat schneiden wollen.
Wie auch immer: Van Gogh hat die Statistik Lügen gestraft, dass der Mensch zwei Ohren besitzt (bzw. hat er sein linkes ja eh bloß ein wenig gestutzt). Den Mann, der am Ende nicht mehr ganz Ohr war, hat nun Ferdinand Melichar (bis 31. Mai in der Galerie Ariadne, Bäckerstraße 6) dramatisch porträtiert. Statt dem Akustikorgan ist nur ausgiebig schreiendes Rot da. Apropos Blut: Ob nun das ganze Bild wie wahnsinnig blutet ("Geburt") oder lediglich die Lippen seiner Frau: Melichar verspritzt die Farbe Rot dramaturgisch gezielt. Und gekonnt. "Am Morgen": Gattin Elisabeth holt mit der Suppenschüssel aus und schüttet eine Blutsuppe über den in Deckung gehenden Künstler. Eine rabiat zwischenmenschliche Geste, die besagt: "Nimm das!" Eine Domina züchtigt den Suppenkaspar? Durch "Zwangsernährung"? Oder ein Sadomaso-Liebesdienst, frei nach Hermann Nitsch, ergo ein orgiastisch mysteriöses Bluter-Abreaktions-Spiel? Oder schlicht: Szenen einer Ehe? Elisabeth Melichar: "Ich wollte, dass es heißt: Rhabarbersuppe."
Und, ehrlich gesagt, hab' ich mich zuerst im Titel verlesen und die Dame deshalb zunächst für Salome gehalten. Salome "ad usum Delphin" sozusagen, nämlich die entschärfte Version - aus Rücksicht aufs kindliche Gemüt. Salome kippt Johannes dem Täufer Blut über den Kopf, aber lässt den Schädel noch dran. "Am anderen Morgen": Da sitzt Melichars bildschön rassige Gemahlin dann provokant biologisch im Bett. Alles wieder paletti. Übrigens: Schon beim Reinkommen in die Galerie riecht man: Das ist ein richtiger Maler (ein Terpentinschnüffler). Sein Pinsel ist noch dazu roh, manchmal geradezu epileptisch. Passt zu seinen elementar kreatürlichen Leibern. (Abbildung:Liegende) Originalkritik